Anthropologen haben schon ernsthaft daran gedacht, dass das Singen ganz am Anfang menschlicher Kommunikation zu suchen ist. Wenn das so war und ist, muss man der Beharrlichkeit, mit der die Menschen heute noch „ihrem“ Gesang („Naša pesem – Unser Lied“) begegnen, besonderen Respekt entgegenbringen.
Gefestigt wird diese urtümliche Wirkung wohl durch das Zusammenführen zweier magischer Bereiche in Lied und Gesang, nämlich Musik und Sprache. Und gerade die Sprache, das „eigene“ Gelebte und Erlebte in „gehobenem“ Ton auszudrücken und spiegeln zu können, macht die Faszination des Gesanges aus – und das wohl bei allen Völkern und Stämmen unserer Welt. Es ist wahr, dass früher einmal das Lied die Menschen intensiver durchs Leben geleitet hat, von der Geburt über das Arbeits- und Liebesleben bis zu den „letzten Zügen“ und darüber hinaus. Trotzdem haben wir vieles noch bewahrt und mit Neuem versehen, das uns heute noch die stolze Aussage „Naša pesem – Unser Lied“ ermöglicht. Die Schau- und Hörplätze sind vielfach wohl andere (vom Familienkreis in den Konzertsaal), aber sie sind nicht verwaist, sondern werden angenommen – in unserem Lebensraum ganz besonders.
Wenn nun zwei oder mehrere Sprachgruppen einen Lebensraum gestalten, vermehren sich Liedbestand und Singbedürfnis beträchtlich. Da liegt es nahe, sich auch „auszutauschen“ mit seinem Gegenüber, durch Anbieten, Zugänglichmachen, Erklären, Nachdichten, Übersetzen u.v.m. Auf diesem Wege ist die Plattform „Zusammenwachsen-rastimo skupaj“ mit großem Engagement unterwegs. Gerade die aktuelle Dokumentation „Naša pesem – Unser Lied“ stellt durch ihre Ideen der Nachschöpfung, der Nachdichtung, Übersetzung und geschichtlichen Recherche eine vorbildliche Leistung dar. Interessant ist dazu auch die Vielfältigkeit, in der „Naša Pesem – Unser Lied“ auftritt bzw. gesehen wird: das komponierte Hymnische steht etwa dem überlieferten Dialektlied gegenüber, das Grablied dem oft „verschmitzten“ Liebeslied – das alles macht eben „Naša pesem“ aus, passt aber auch – in kleinerem Maßstab – unter den gedanklichen „Überbau“, den schon vor Jahrzehnten ein aufsehenerregendes Büchlein als geniales „Dreigestirn“ definiert hat:
Sprache – Denken – Wirklichkeit.
Günther Antesberger